Meditatives Bogenschießen im spirituell-pastoralen Kontext
Im Erzbistum Köln gibt es - im Besonderen über den DJK-Sportverband - die bewährte Tradition der ‚Sportexerzitien‘. Besinnungstage, denen Bewegung zugrunde liegt, die in spiritueller Betrachtung vertieft wird. Nach einem Gedanken der Hl. Teresa von Avila: „Tue deinem Körper etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.“ gilt es, innerlich und äußerlich in Bewegung zu kommen – und Gott in diesem Tun lebendigen Menschseins Raum zu geben. Es bedeutet bei diesem Ansatz von Exerzitien, über den Kraftspeicher ‚Körper‘ eine tiefere Dimension des Menschseins zu erspüren..
Das Erkennen dieser gottgeschenkten Geschöpflichkeit kann bereichern und bewusst machen, dass diese Seite vielleicht in der herkömmlichen Exerzitienpraxis oder zumindest im Alltag zu kurz kommt. Aus dieser Geschöpflichkeit mit ihren Möglichkeiten und Begrenztheiten heraus tritt der Mensch in Aktion – sein Tun und Handeln wirkt und bewirkt, in erster Linie für sich selber.
Im Bogenschießen verbindet sich dem dafür offenen Schützen beides: die Erfahrung des eigenen inneren und äußeren Kraftspeichers sowie die Erfahrung eines gegebenen, zur Verfügung stehenden Kraftspeichers. Letzterer kann ohne explizite Reflexion und Verinnerlichung genutzt werden, sportiv und erlebnisorientiert. Hier soll aber eben eine tiefere Ausrichtung betrachtet werden. Ohne den Bogen überspannen zu wollen: wenn Gott sich dem Menschen ‚zur Verfügung stellt“, wenn er sich anbietet, zu gelingendem Menschsein zu führen, dann kann im Bogen ein solches Angebot gegenständlich erfahren werden. Wie der Schütze nun diese zur Verfügung stehende Kraft im gespannten Bogen entgegennimmt, sie verinnerlicht und in sich hineinnimmt, das bleibt jeweilige Entscheidung. Aber ohne eine eigene Bereitschaft dazu bleibt der Bogen schlichtweg ungenutzt bzw. ein sportives Gerät.
Es bedarf der Übung, der Geduld und Konzentration, um jene Kraft aus dem Bogen zu nehmen, die zum Ziel führt, was immer dieses Ziel auch sein mag. Aus Sammlung und Achtsamkeit heraus können in diesem Prozess die Pfeile gelöst werden. Sie treffen ihr Ziel. Ob es mit der eigenen Absicht des Schützen übereinstimmt, gilt es zu reflektieren.
Es gilt achtsam für die einzelnen Schritte des Tuns zu sein. Welchen Standpunkt nehme ich ein? Wie richte ich mich auf mein Gegenüber aus? Was oder wer ist überhaupt mein Gegenüber? Wie empfinde ich die Nähe oder Distanz zu diesem Gegenüber? Ist es eine aggressive oder eine behutsame Ausrichtung nach vorne, dominiert Ungeduld oder Gelassenheit? Wie ist meine innere und äußere Haltung? Stehe ich aufrecht? Kann ich es der stimmig angemessenen Sehne am Bogen nachmachen, ausgespannt zwischen Himmel und Erde zu sein? Mit welcher Spannung stehe und agiere ich selber, wie verspannt bin ich vielleicht dabei? Kann ich mich entspannt in das Geschehen hineingeben – oder meine ich, der Überanstrengung nahe, ein Zielen und Treffen erzwingen zu müssen? Nehme ich den Pfeil wahr als Ausdruck meiner Aufmerksamkeit, die zu ihrem Ziel schnellen will? Kann ich ihn in diesem Zusammenhang im richtigen Moment loslassen und somit lösen und aus meiner Verantwortung entlassen? Wie nehme ich das Richtig- oder Danebentreffen wahr? Setze ich mich unter Druck – oder kann ich das Ergebnis gelassen betrachten und daraus Schlüsse ziehen?
Dieser Ansatz des meditativen Bogenschießens findet in spirituell-pastoralen Feldern immer häufiger Umsetzung. Ob mit Messdiener-,/ Firmgruppen (, wo sicherlich der erlebnispädagogische Akzent noch mehr im Vordergrund steht) oder explizit einem Angebot für pastorale Dienste im Rahmen von Exerzitienangeboten (in verschiedenen Bistümern), ob für eine Glaubenskursgruppe oder im Rahmen der Altenpastoral ein Angebot für eine ü70 Gruppe, ob als schulpastorales Angebot für Lehrerende bzw. Lernende oder als Trainingssequenz für Hochleistungssportler, ob im therapeutischen oder auch supervisorischen Kontext – das Bogenschießen eröffnet Spannungsbögen, die innerlich und äußerlich den Agierenden helfen, sich ihrer selbst bewusst zu werden und im Idealfall in sich ruhen zu können um daraus in angemessene Aktion zu gelangen.