Was unter Spannung steht, hat Kraft

von Ulrich Schaffer

Als Kind schnitt ich mit kleinen Händen einen Weidenstock,
kerbte das Ende des Stockes ein,
befestigte eine Schnur an einem Ende
und bog ihn, bis er fast ein Halbkreis war,
und befestigte dann am anderen Ende die Schnur,
um die Spannung zu halten.
Fertig war der Flitzbogen.
Wenn ich es tat, erlebte ich unbewusst
eines der großen Gesetze unserer Welt:
Was unter Spannung steht, hat Kraft.

Jeder neu geschossene Pfeil faszinierte mich,
weil er von dieser geheimen Energie zeugte,
die für mich wirkte.
Je stärker die Spannung,
desto weiter flog der Pfeil.
Manchmal brach auch ein Bogen,
weil die Spannung zu stark war.
Es gab Grenzen.
Bis heute lebe ich mit dem Gesetz der Spannung.
Ich beobachte, ob die Pfeile meines Lebens fliegen,
ob sie ihr Ziel erreichen.
Ob mein Leben Kraft hat.